Bloß weg aus Trüberbrook
Bei Trüberbrook gehen wir auf eine schräge SciFi-Reise, mitten in Deutschland der 1960er-Jahre. Nach der Veröffentlichung erhielt das Spiel zahlreiche Preise. Aber sind diese gerechtfertigt?
Bei Trüberbrook gehen wir auf eine schräge SciFi-Reise, mitten in Deutschland der 1960er-Jahre. Nach der Veröffentlichung erhielt das Spiel zahlreiche Preise. Aber sind diese gerechtfertigt?
Wer mich kennt weiß, dass ich ein absoluter Fan von Point&Click-Adventuren bin. Heutzutage ist es schwierig noch richtig guten Stoff zu bekommen, der einen auf den Level bringt, wie damals Monkey Island. Hach, was waren das noch Zeiten, in denen man witzige Dialoge und eine gut ausgefeilte Story erleben konnte.
Aber, es gibt sie ja noch – diese herausragenden Spiele aus einem zu Unrecht vernachlässigten Genre. Ja, genau – die Rede ist von Deponia oder The Book of Unwritten Tales. Hier begegnen wir liebevollen Charakteren, großartigen Landschaften und erleben mitreißende Abenteuer, mit unseren tapferen Helden.
Neulich hat es mich wieder in eine dieser Welten verschlagen, genauer nach Trüberbook – einem fiktiven Städtchen, irgendwo in Westdeutschland der 1960er Jahre. Ich war der Reisebegleiter von Hans, einem Quantenphysiker aus den USA, der in einem Preisausschreiben (Spoiler: an dem er gar nicht teilgenommen hat) eine Reise in ein Kaff im Niemandsland gewonnen hat. Brav tritt er seine Reise an und dokumentiert jeden einzelnen Schritt in sein Diktiergerät. Im Hotel angekommen, werden (oh, welch ein Wunder) direkt seine Dokumente gestohlen. Das passiert unter höchst mysteriösen Umständen. Bis dahin baut das Spiel noch eine „konsumierbare“ Story auf. Aber dann geht es so richtig los! Im Schneckentempo rasen wir durch die Story und sind trotzdem schnell fertig.
Drehen wir aber das Rad der Zeit noch einmal zurück. 2015 begannen die Arbeiten an dem Spiel. Im November 2017 startete eine Kickstarterkampagne und dank „anscheinend“ guten Networkings kamen schnell mal 200.000 Euro zusammen. Damit wurde Trüberbrook das erfolgreichste Crowdfunding-Spiel aus Deutschland im Jahr 2017. 2019 erschien der Titel dann endlich und danach begann die Erfolgsgeschichte:
Trüberbrook wurde in insgesamt vier Kategorien für den Deutschen Computerspielpreis 2019 nominiert: Bestes Deutsches Spiel, Bestes Jugendspiel, Beste Inszenierung sowie Beste Innovation. Das Spiel gewann den Preis in den Kategorien „Bestes Deutsches Spiel“ und „Beste Inszenierung“.
Im Rahmen des 26. Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart wurde Trüberbrook mit dem „Animated Games Award“ für die beste visuelle Gestaltung und Ästhetik ausgezeichnet. Zudem wurde das Spiel in sechs Kategorien für den Deutschen Entwicklerpreis 2019 nominiert. (Wikipedia)
Angesichts der (zum Glück nur kurzen Spielereise) auf der Switch, bleibt mir doch die Frage im Kopf, was die werten Kollegen damals für erfrischende Getränke zu sich genommen haben, als die Bewertungen verfasst wurden. Lassen wir die Grafik mal außen vor, da sie vielleicht nicht so brillant auf der Switch rüberkommt, wie auf potenteren Plattformen. Die Story ist öde. Die Charaktere sind nicht ansatzweise authentisch oder fügen sich ins Weltbild der 1960er. Die Texte sind unterirdisch und von Logik brauchen wir nicht zu sprechen. Da kann auch Jan Böhmermann als Sprecher nichts mehr rausreißen. Die Rätsel sind lieblos und dahingerotzt. Angesichts dieser ganzen Tatsachen empfinde ich eine Wertung von 83 Punkten bei der Gamestar als schlag in die Fresse. Und habe ich schon erwähnt, dass das Spiel extrem kurz ist?
Wenn ich Trüberbrook spiele, verstehe ich, warum das Genre nicht mehr gefragt ist, genau wegen solch einer Lieblosigkeit. Scheiß doch auf die Grafik, ein gutes Point&Click-Adventure lebt von einer guten Story, seinen Charakteren und dass es mich auf eine unvergessliche Reise mitnimmt, wie damals Indiana Jones an the Fate of Atlantis. Selbst das relativ aktuelle und abgefahrene Timbleweed Park vom Adventure-Guru Ron Gilbert ist milliardenfach unterhaltsamer als der TrübeBrocken. Unverständlich ist daher, dass Ron Gilbert angeblich die Kickstarter-Kampagne unterstützt hat. Was hat ihn da geritten? Waren die Marketing-Unterlagen so gut, dass jeder sofort die Kreditkarte gezückt hat?
Ich bin jedenfalls maßlos enttäuscht. Ich weiß, dass viel Arbeit, Schweiß, Zeit und Leidenschaft in solche Projekte fließen, aber der/die Autor*innen haben an dieser Stelle keine gute Arbeit geleistet. Wenn schon Nerd-Anspielungen auf „HAL“ oder den Film „Quiet Earth – Das letzte Experiment“ vorkommen, dann bitte auch richtig und nicht so lala.
Macht’s gut, und danke für den Fisch.
Redakteur
Christian Thieme ist Fotograf, Journalist und PR-Berater. Der gebürtige Niederrheiner wurde in Wesel geboren und hat mit sechs Jahren seine Leidenschaft für Computerspiele entdeckt. Sein erstes System war der Commodore Amiga 500 gefolgt von einem 486er DX 40. Sein liebstes Genre sind Point & Click Adventures.
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