
Europäischer Spirit & Nerdkultur
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Catalonia’s gaming scene shows its face
20. März 2025
Kataloniens Gaming-Szene zeigt Gesicht
Zu Besuch beim Saló Tecnologia i Manga in Roses
von Christian Thieme, Hamminkeln
Der Schubregler geht nach vorne, der Druck auf den Körper ist spürbar – Start. Wieder einmal auf dem Weg nach Katalonien. Eine Strecke, die mir vertraut ist, aber diesmal ist es mehr als nur eine Urlaubsreise. Diesmal geht es zu einem kleinen Gaming-Event an der Costa Brava, dem „Saló Tecnologia i Manga“ in Roses. Für mich ist es auch der erste persönliche Kontakt zu den Organisatoren eines Projekts, das online begonnen hat.
Roses liegt direkt am Meer, rund 20.000 Menschen leben hier. Ein Tag nach unserer Ankunft stehen mein Reisebegleiter Tom und ich vor der Mehrzweckhalle der Gemeinde. Ein großes Banner kündigt die Veranstaltung an – der Eintritt ist kostenlos. Innen ist die Halle in mehrere Bereiche unterteilt: eine LAN-Party im hinteren Drittel, Verkaufsstände, Manga-Zeichnerinnen und -Zeichner, Bühnenprogramm, ein kleiner Arcade-Bereich und ein Bereich für Retro-Games.
Dort treffen wir Ivan vom „Club Arcade Rally Sud“ aus dem nahegelegenen Figueres. Er begrüßt uns freundlich, spricht fließend Englisch und gibt einen ersten Einblick in die lokale Szene. Später kommt Carlos dazu, mit dem ich seit Monaten im Austausch bin. Er ist der Initiator der „European Pixel League“, einem Projekt, das Retro-Gaming-Vereine europaweit miteinander vernetzen soll.
Die Veranstaltung selbst entstand vor einigen Jahren aus dem Engagement mehrerer lokaler Vereine. Für die ländlich geprägte Region ist ein solches Event keine Selbstverständlichkeit. Ivan erzählt uns, dass Gaming und Cosplay in Spanien längst nicht denselben Stellenwert genießen wie etwa in Deutschland. Vieles werde noch belächelt. Trotzdem wachse die Community langsam, aber stetig.
Während wir sprechen, tanzen Jugendliche zu K-Pop auf der kleinen Bühne, Eltern filmen das Geschehen mit ihren Smartphones. „Es ist eine familiäre Veranstaltung“, erklärt Ivan. Und das spürt man. Die Atmosphäre ist offen, entspannt, unaufgeregt. Viele kennen sich untereinander. Der Verein hofft, das Event im kommenden Jahr ausweiten zu können – vielleicht sogar auf eine zweite Halle. Die Gemeinde unterstützt das Projekt und stellt die Räumlichkeiten bereit. Leicht sei das nicht gewesen, sagt Carlos. Viel Überzeugungsarbeit sei nötig gewesen.
Auffällig: Es gibt kaum Creator, die das Event dokumentieren. Zwei oder drei Medienvertreter drehen kurze Beiträge, doch mit unserem Kameraequipment stechen wir heraus. Die Szene ist hier noch nicht so präsent wie in anderen Regionen Europas. Dabei gäbe es einiges zu zeigen: Selbstgebaute Arcade-Automaten, handgezeichnete Mangas, liebevoll gestaltete Cosplay-Kostüme. Wir treffen auf einen originalgetreu nachgebauten R2-D2, der durch die Halle rollt, ein Chewbacca-Cosplayer mit beeindruckender Präsenz und mehrere Flipperautomaten, die ununterbrochen bespielt werden.
Am Stand von „Roses Tecnològic“ sehen wir einige der Arcade-Maschinen in Aktion. Die Geräte sind Teil eines gemeinnützigen Projekts, das gemeinsam mit einer örtlichen Schule realisiert wurde. Die Schüler bauten ihre eigenen Gehäuse aus Holz – ein Ansatz, der Technik und Kreativität verbindet.
Vereinsheim dank der Gemeinde
Tags darauf machen wir einen Abstecher ins Vereinsheim des „Club Arcade Rally Sud“ in Figueres. Der Verein hat von der Stadt einen kleinen Raum zur Verfügung gestellt bekommen – spartanisch, aber funktional. Hier stehen mehrere Konsolen, eine Carrerabahn, Poster an den Wänden. Carlos und seine Mitstreiter treffen sich hier regelmäßig zum gemeinsamen Spielen.
Im Gespräch erklärt Carlos die Idee der „European Pixel League“. Der Plan: Lokale Retro-Gaming-Wettbewerbe in ganz Europa, deren Sieger später auf internationaler Ebene gegeneinander antreten. Erste Partnervereine aus Frankreich und Deutschland sind bereits dabei, das Finale soll im Spielzeugmuseum von Figueres stattfinden. Auch hier wurde mit der Stadtverwaltung kooperiert – wieder ein Schritt, der Engagement verlangt hat.
Nach dem Besuch im Vereinsheim setzen wir uns gemeinsam in ein kleines katalanisches Restaurant. Bei Paella und Crema Catalana erfahren wir mehr über die Menschen hinter dem Verein. Viele investieren viel Zeit in ihre Leidenschaft – ehrenamtlich, aus Überzeugung. Carlos ist bekennender Star-Wars-Fan, seine Augen leuchten, als ich ihm Bilder vom „Stars of the Galaxy“-Museum in Mönchengladbach zeige. Ein Gegenbesuch wird gleich lose verabredet.
Am Nachmittag zieht es uns zurück zum Event in Roses. Diesmal lassen wir das Kameraequipment im Apartment. Wir genießen die Veranstaltung als Besucher – entspannt, ohne Drehplan. Viele der Teilnehmer erinnern sich an uns vom Vortag, suchen erneut das Gespräch. Wir spielen ein paar Runden an den Flippern, versuchen unser Glück bei „Alex the Kidd“ und nehmen ein paar Erinnerungsstücke vom Merchandise-Stand mit.
Gegen Abend leert sich die Halle, Stände werden abgebaut, die LAN-Teilnehmer ziehen sich zurück. Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern mit dem Versprechen, im nächsten Jahr wiederzukommen. Beim Rückflug nach Deutschland wird uns bewusst, dass dieses Wochenende mehr war als ein einfacher Eventbesuch. Es war ein persönlicher Austausch mit einer kleinen, aber engagierten Community – und der Beginn einer echten Freundschaft.
Im Gepäck haben wir nicht nur schöne Erinnerungen, sondern auch neue Ideen. Ein erstes Online-Vereinsduell ist bereits angedacht – Bomberman inklusive. Die Vorfreude auf das nächste Wiedersehen ist groß.
- Eingang zur kostenlosen Veranstaltung, Entrance to the free event
- Blick ins Vereinsheim des Club Arcade Rally Sud, A look inside the clubhouse of the Arcade Rally Sud club